Integratives Bürgerkrankenhaus Hamburg

 

Grundsätzliche Anliegen und Ziele:

 

Fast jeder von uns hat das schon zu spüren bekommen: Im derzeitigen deutschen Gesundheitssystem ist der Patient vor allem ein Kostenfaktor, seine Krankheit ein zu behebendes Defizit. Über der Kommerzialisierung und Digitalisierung des Gesundheitswesens und den damit einhergehenden ökonomischen Zwängen ist die angemessene Kommunikation zwischen Patient und Arzt, Therapeuten und Pflegenden verlorengegangen. Wer im Krankenhaus arbeitet, leidet zunehmend darunter, seinem berufsethischen Verständnis nicht mehr nachkommen zu können – zu Lasten der Patienten.

Immer mehr Menschen wünschen sich heute eine Medizin, die nicht nur Symptome behandelt, sondern darüber hinaus den individuellen Menschen und seine Krankheit in einem größeren, ganzheitlichen Zusammenhang sieht. Eine solche integrative Medizin möchte dazu beitragen, dass ein Patient eine Krankheit annehmen und in ihr sogar ein Entwicklungspotenzial sehen kann.

 

 

Von der Krankheit zur Gesundheit

 

Für uns ist der Mensch mehr als sein Körper und die Summe seiner Krankheitssymptome. Gesundheit und Krankheit verstehen wir als dynamisches Geschehen, als Ausdruck der ganz persönlichen Biographie und des sozialen Umfelds. Eine umfassende Diagnose und Therapie sollte daher die Individualität und die psychosoziale Lebenssituation des erkrankten Menschen mit einbeziehen.

Das erfordert vor allem die Fähigkeit des Arztes, sich situativ, über das formale Wissen einer leitliniendominierten Medizin hinaus, ganz auf den Patienten einlassen und ihm als Mensch begegnen zu können.

 

Schon der berühmte Arzt Paracelsus sagte vor rund 500 Jahren: „Die beste Medizin für den Menschen ist der Mensch!“ Der Medizin-Ethiker Prof. Dr. Giovanni Maio formulierte das gleiche Anliegen 2014 in einem Interview folgendermaßen: „Gute Therapien können nur dann entwickelt werden, wenn der Begegnung mit dem Patienten Raum gegeben wird. Und einem Menschen begegnen heißt, sich ganz für seine Lebenswelt zu öffnen, ohne vorgefertigte Schemata und ohne Schablonen. Die moderne Medizin braucht daher einen neuen Raum für diese zwischenmenschliche Begegnung, sie braucht Raum für Zuwendung, für Begleitung, für Werte wie innere Geduld und Herzenswärme.“ So kann gemeinsam ein Weg gefunden werden, mit der Krankheit umzugehen, um ein neues gesundheitliches Gleichgewicht zu erlangen.

Integrative Medizin  bezieht neben den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen auch die psychosomatische und psychosoziale Situation sowie die spirituelle Dimension des Menschen mit ein und verbindet alles zu einem wirksamen ganzheitlichen Therapiesystem. In Kombination mit der Schulmedizin gehören daher spezifische Elemente z. B. aus der Anthroposophischen Medizin, Homöopathie, der Traditionellen Chinesischen Medizin oder des Ayurveda zum medizinischen Alltag. Alle Elemente verbinden sich so zu einem integrativen Ansatz, in dem sich die jeweiligen Systeme gegenseitig respektieren und wertschätzen.

Wir stellen nicht in Frage, dass es Leitlinien für die Behandlung bestimmter Krankheiten geben soll. In der Praxis geht es jedoch um konkrete Menschen – Persönlichkeiten, die für den Arzt mit all ihren Besonderheiten in ihrer Individualität von Interesse sind. Das sind sie aber nur dann, wenn es gelingt, sie in einer Krankheit nicht als defizitäre Wesen zu sehen, die  aus einer allgemeingültigen Norm herausgefallen sind, sondern sie positiv mit ihren Eigenheiten und vor allem aus ihren vorhandenen persönlichen Ressourcen heraus zu begreifen.

Denn jeder Mensch ist einzigartig, und auch wenn sich Krankheitsbilder ähneln, so sind sie doch immer individuell verschieden. Das gilt auch für die Gesundheit –  und letztlich gibt es so viele Gesundheiten, wie es Menschen gibt!

Als mündige Bürgerinnen und Bürger in Hamburg möchten wir über unsere Gesundheit mitbestimmen. Deshalb haben wir eine Initiative gegründet, die sich für ein integrativmedizinisches klinisches Angebot in der Hansestadt einsetzt. Es soll allen Patient*innen offenstehen, unabhängig von ihrem Versicherungsstatus.

 

 

Integrative Medizin, Therapie und Pflege

 

Die verschiedenen Ansätze und Verfahren sollen innerhalb eines Gesamtkonzeptes aufeinander abgestimmt werden. Neben der medizinischen Therapie spielt die Pflege dabei eine zentrale und verbindende Rolle. Sie bildet das Fundament für eine gute medizinische Versorgung  und ermöglicht Lebensqualität.

Beispiele für solche integrativen Ansätze sind Kliniken wie die anthroposophischen Gemeinschaftskrankenhäuser in Herdecke, Berlin und Filderstadt, das Paracelsus-Krankenhaus Unterlengenhardt, die Klinik Öschelbronn, das Klinikum Lauchhammer, die TCM-Klinik Bad Kötzting oder die naturheilkundliche Station der Kliniken Essen Mitte.

 

 

Partizipative Führungsstrukturen, horizontal ausgerichtete Organisationsprozesse

 

Wir wollen Patient*innen ebenso wie Mitarbeiter*innen im Krankenhaus in die Gestaltung und Trägerschaft unseres Projekts mit einbeziehen. Konzepte und Leitbilder sollen von allen gemeinsam entwickelt und fortgeschrieben werden. Leitungsaufgaben werden partizipativ wahrgenommen und Hierarchien so flach wie möglich gehalten. Alle Beteiligten handeln als therapeutische Gemeinschaft. Sie befinden sich im ständigen Austausch mit den umgebenden Netzwerken und richten ihr Angebot in gegenseitiger Abstimmung aus.

Die Rahmenbedingungen in der stationären Krankenversorgung sind heute technisch und prozedural orientiert. Die Erfahrungen in entsprechenden Kliniken haben gezeigt, dass sich ein integrativer Ansatz professionell und qualitativ hochwertig innerhalb eines Gesamtportfolios  wirtschaftlich gut abbilden lässt.

 

 

Netzwerk und regionale Orientierung

 

Das integrativmedizinische klinische Angebot sollte Teil eines Netzwerkes sein, innerhalb dessen Bürger und Patienten über alle Schnittstellen hinweg als Personen ganzheitlich wahrgenommen, weiterbetreut und fachlich aufeinander abgestimmt versorgt werden.

Die Kooperation mit anderen Kliniken, Ambulanzen, Therapeutika, Pflege- und Palliativdiensten, Diagnosezentren, ergänzend auch mit Selbsthilfeeinrichtungen, Geburtshäusern und Hebammen ist unabdingbar.

Die Regionalität ist uns ein besonderes Anliegen und gleichzeitig auch das Mittel, die komplizierten Verhältnisse des Gesundheitswesens durch die direkte Zusammenarbeit erlebbar zu machen, und sie dadurch persönlich beurteilen und gestalten zu können.

 

Das neue integrative „Bürgerkrankenhaus“ und Netzwerk möchte ein Ort der Geborgenheit und Heilung für Menschen werden, die dieses medizinisch-therapeutische Angebot wertschätzen, für sich wünschen und frei wählen wollen. Es soll aber auch gleichzeitig ein Signal setzen für eine ganzheitliche, am Menschen orientierte und soziale Medizin, um damit nicht zuletzt das Krankenhausangebot in Hamburg maßgeblich zu bereichern.

 

 

 

 

 

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